Abschrift eines Tagebuchauszuges
Im Sommer 1911 verbrachte ich meinen Urlaub, wie gewöhnlich bei meinen Eltern in Halle
und verliess alle in bester Gesundheit. Ein unglücklicher Zufall liess meinen Vater nicht
mehr rechtzeitig auf den Bahnsteig zum Abschiednehmen kommen. Bis Magdeburg wurde es mir
sehr schwer, nicht zurückzufahren, aber ich mußte am nächsten Tage wieder in London im
Dienst sein. Unterwegs fiel mir dann auch noch ein, daß das folgende Jahr ein Schaltjahr
sein würde und von da ab wünschte ich sehnlichst, daß der Schalttag erst vorbei sei.
Immer wieder kam das unangenehme Gefühl der Angst vor dem 29. Februar 1912 in mir auf,
obwohl mir Tätigkeit und Freunde wenig Zeit zum grübeln ließen. Die Monate vergingen,
die Nachrichten von zuhause waren immer gut, aber die Angst verlor sich nicht. - Dann am
26. Februar erhielt ich die Nachricht, daß Vater am 24. abends einen Schlaganfall gehabt
habe, ich solle aber nicht kommen, um ihn nicht zu beunruhigen.
Am 29. Februar morgens um 4.30 Uhr sah ich mich an meines Vaters Bett, zusammen mit drei
meiner Brüder und den beiden jüngsten Schwestern bei der Mutter stehen. Es war aber noch
eine fremde Frau dabei. Als ich zum Büro kam, gab mir der Portier eine Depesche, deren
Inhalt ich bereits kannte. Vater war um 4.30 Uhr entschlafen.
Als ich zur Beerdigung nachhause kam, fragte ich sofort, ob die von mir gesehenen
Geschwister am Sterbebett gestanden hätten und ob da noch eine Frauensperson gewesen sei.
Es war eine Krankenpflegerin gewesen, die Nachts mitgewacht hatte und die Geschwister
waren auch sämtlich aus Düren, Berlin und Gera herbeigeeilt gewesen.
Olga Frieda Grulich, Höchst.
Briefe aus Capstadt von Ende 1947 bis 1950
33, Upper Orange Str., Oranjezicht, den 15. November 1947
Cape Town, South Africa
Liebe Gertrud, Dir und Maren herzlichen Dank für Eure Briefe vom 30.09.1947, die ich
gestern, den 14.11. erhielt und schon heute beantworte, denn Ihr sollt auch einen
geschriebenen Gruß fürs Weihnachtsfest erhalten, die anderen "Grüße" sind
bereits unterwegs. Und zwar ein Päckchen mit Rauchwaren ab Schlachterei der
Missionsstation Elim und eins von mir hier direkt an Kurt gerichtet, am 31.10. zur Post
gegeben.; zur Ergänzung der Fettigkeit.
Es enthält je eine Büchse Milchpulver, Rindfleisch und Marmelade, 1 lb je von Graupen,
Bohnen, Sago, Haferflocken, Nudeln, Linsen, zum ausfüllen noch 4 Waschlappen und ein
kleines Täfelchen Schokolade.
Dieses für Karin in Erwiderung ihres Grußes an mich, über den ich mich riesig freute.
So niedlich geschrieben und kurz gefaßt.
Nun hoffe ich, daß alles rechtzeitig ankommt und Euch die Festtage etwas verschönern
hilft. Leider muß ich aber gleich dazu bemerken, daß ich die Elimer Pakete nicht
wiederholen kann, sie sind eine einmalige Sendung durch meine diesjährige Gratifikation
ermöglicht.
Eure Mutter in Kiel erhielt auch solches Paket mit Ergänzung von hier. Für Klein
Richards mögen die Brüder seiner Frau in Amerika sorgen. Er soll auch öfter Pakete aus
der Schweiz bekommen, von den Leuten, bei denen seine Kinder mal zur Erholung waren, so
daß er nicht so schlimm dran sein dürfte.
Dein Mann hat ganz recht, die Reihe ist lang für mich und die Mittel sind leider viel,
viel zu kurz für meinen Geschmack. Ich tät so gern viel mehr für Euch alle daheim. Wenn
wir hier in den Sommer hineingehen, so tun wir's mit Angehörigen in der Heimat, doch mit
recht gemischten Familien im Gedanken an Euch und Euren Winter. Möge er nicht gar zu
streng werden und Euch zu schwere Lasten auferlegen, daß Ihr gut durchhalten könnt.
Nun zu Deiner Sorge wegen Timm. Ich weiß nicht, ob man Euch von hier aus raten kann, aber
ich möchte, daß Ihr das wenigstens mal in Erwägung ziehen und Euch dort vernünftig
beraten lassen könnt.
Eine Bekannter von mir war nach dem letzten Kriege in hoffnungsloser Vermögenslage. Seine
Schwester, ebenso mittellos, heiratete einen Rechtsanwalt, der noch allerlei
Verpflichtungen seiner Mutter usw. gegenüber hatte. Nebenbei bemerkt, hatte sie ihm den
Heiratsantrag gemacht. Sie war ein recht nettes Mädel, junge Lehrerin mit verwitweter
Mutter ohne Vermögen. Der wohl 15 Jahre ältere Mann fand Gefallen an ihrem frischen
Wesen und forderte sie zu Spaziergängen auf, holte sie von der Schule ab, usw., so daß
sie eines Tages fragte, was er sich denn denke, ob er irgendwelche ernste Absichten habe,
denn sie könne sich doch nicht einfach ins Gerede bringen lassen, in ihrem Beruf sei das
zu gefährlich.
So kam es denn zu einer recht glücklichen Ehe, an der ich mich auch noch so etwa 10 Jahre
freuen konnte, da sie ihre Mutter, meine Freundin später ins Haus nahm, und sie war doch
auch mit leeren Händen gekommen, ob sie ihre Studiengelder voll bezahlt hatte, weiß ich
noch nicht mal.
Aber zur Sache, ihr Mann konnte damals dem Schwager auch noch nicht helfen, er hatte zu
viel an sich hängen. So riet er denn, daß seiner Frau Bruder eine Lebensversicherung
für einen entsprechenden Betrag aufnahm und sich dann das Geld lieh, um es später
zurückzuzahlen. Die Police als Sicherheit gab, falls ihm etwas passieren sollte, ehe er
abgezahlt hatte.
Natürlich mußte der
geliehene Betrag und die Police ausreichend sein, um die Kosten
gegenseitig zu decken, bis eine Rückzahlung erfolgt sein konnte. - Doch
ich wiederhole, befragt Euch dort an Ort und Stelle, ob ein solcher Weg
gangbar ist, damit Ihr nicht in Verpflichtungen hineingezogen werdet, die
nachher zu drückend werden oder zu Weiterungen führen, die ich von hier
aus nicht übersehen kann.
- Was macht Alf eigentlich? Was lernt er ? Kann er
dem Bruder nicht helfen? Wir haben das ja doch auch so mit den jüngeren
Geschwistern gehalten, weil bei uns die Reihe so sehr lang war und die
Jungen ja immer schon zur Schule in Pension mußten, dabei sollten die
Mädels doch auch was lernen.
Daß Gert schon einen eigenen Hausstand
gründen mußte! Kann er denn eine Frau ernähren? Was ist sein Beruf?
Schade, daß er Euch nicht erst noch ein paar Jahre über die schlimmste
Zeit hinweghalf. Aber man kann von hier aus natürlich wenig zu solchen
Dingen sagen.
Im
Augenblick bin ich mit meinen Mitteln so ziemlich erschöpft, denn meine paar Spargroschen
darf ich nicht angreifen, damit ich nicht eines Tages selbst mittellos einsam im fremden
Lande sitze. Ich stehe ja nun auch im 70. Jahre und da weiß man nicht, wie lange man noch
wird arbeiten können. Jedenfalls bin ich froh und dankbar, es noch zu können und
dürfen, und hoffe es noch so lange tun zu können, bis Ihr's dort alle doch wieder etwas
leichter habt.
Kann man auch nicht viel helfen, aber ich denke, daß das Wenige, doch eine kleine Freude
in Euer Leben trägt, und die könnt Ihr so gut brauchen, um wieder weiter zu schuften,
denn arbeiten ist es ja wohl für Euch nicht mehr, wenn Ihr nur eben durchkommen wollt.
Sobald ich kann, werde ich mal wieder ein Päckchen absenden und vielleicht mal wieder
Wolle beifügen oder was an alter Kleidung, was sich für die Kinder noch wieder
herrichten läßt. Marens schöne Schuhe hatte ich natürlich geschenkt bekommen, denn ich
trage so was doch nicht. Vielleicht habe ich mal wieder Glück mit so was.
Nun wünsche ich Euch ein gesegnetes Weihnachten und Neujahr und hoffe, daß 1948 doch
endlich der Anfang einer besseren Zeit werden möge für unser deutsches Volk in erster
Linie und die anderen dann auch. - Jetzt soll noch ein Brief nach Kiel fertig werden,
damit die Festgrüße zur Zeit da sind . - So lebt denn Alle sieben herzlich wohl für
heute und seid vielmals gegrüßt von Deiner Olga.
Liebe Maren, bitte mit diesem Brief vorlieb zu nehmen, denn ich habe zuviel um die Ohren.
Es müssen noch acht Briefe dieser Tage steigen und dafür habe ich doch nur die
Abendstunden. Dazu müssen die zwei Pakete wöchentlich auch des abends gepackt werden und
für sich selber hat man auch so mancherlei zu flicken und machen außer dem
Inordnunghalten des Zimmers und teilweise Selbstverpflegen, nur mittags esse ich
außerhalb. So lebe ich schön billig und behalte mehr übrig für meine Hilfsarbeit.
Vielen Dank für die Karte. Herzliche Grüße Deine Tante Olga
9, Queens Road, Tamboers Kloof, den 25.04.1948
Briefe erbitte unter: c/o P.O. Box 2408, Cape Town, South Africa
Liebe Gertrud,
vielen Dank für Deinen ersten Brief vom 11.1.48 und Ruths (Olga meinte
hier eventuell Karin) Einlage. Ich habe mich recht darüber gefreut. Auch Maren bitte ich
in Deinem nächsten Brief von mir zu grüßen und ihr für zwei Briefe mit den
Festwünschen für Jahresbeginn und Ostern zu danken. Du siehst, ich bin umgezogen, was
viel Mühe und Umstände machte, da ja Wohnungssuchen, packen, usw. alles in den
Abendstunden geschehen mußte, dazu die Pakete für die Heimat und die erwarteten Briefe,
die ich allerdings nicht schrieb, es ging einfach nicht.
Inzwischen sind nun drei Pakete an Dich abgegangen. Ich erhielt von einer Bekannten ein
kleines Kostüm, was sich wohl für Ruth eignen dürfte, dann eine Jacke, einen Mantel und
Hut für Deinen Jüngsten und im dritten Paket steckt ein alter Regenmantel, dessen beste
Teile gewendet, vielleicht einen Hausrock für Dich ergeben. Das blaue, weisgetupfte
Waschkleid eignet sich vielleicht für ein Schulkleid für Ruth, falls es als Hauskittel
für Dich zu kurz sein sollte.
Aber du wirst ja am besten wissen, wie die Sachen zu verwenden sind. Vielleicht schreibst
Du mir dann einmal, ob Dir mit derartigen Dingen gedient ist, oder ob Ihr dort auf Eure
Bezugsscheine die Sachen wirklich erhaltet und so nicht so schlimm dran seid, wie in
anderen Gegenden.
Viel bekomme ich ja nicht, aber ab und zu gibt's doch mal was von Bekannten, und diese
Sachen suche ich möglichst gleichmäßig zu verteilen, so wie ich die Verhältnisse von
hier aus ansehe. Jedenfalls hoffe ich auf diese Weise jetzt für Deine beiden Jüngsten
die Mantelfrage gelöst.
Für Timms Anzug sehe ich leider keine Möglichkeit von hier aus. Meine Mittel sind bis
zum äußersten angespannt. An Devisen erhalte ich nur L 5,-- pro Monat, und die sind
festgelegt für Nahrungsmittelpakete nach Reusrath und Halle. Hier zu Lande kann man
Kleidung, besonders Herrensachen zum Verschicken nicht erstehen. Da Letztere besonders so
entsetzlich teuer sind, erhält man auch nichts durch Bekannte, es trägt eben jeder
selbst alles bis zum letzten Faden ab. aber es gäbe vielleicht einen Ausweg.
Maren ist ja in Frankreich und verdient, könnte sie nicht etwas für ihren Bruder tun und
ihm Anzugsstoff durch Care besorgen. Dazu ist erforderlich, daß sie den Gegenwert von
10,-- Amerikanischen Dollars an
The Secretary, Cooperative for American Remittances to Europe,
50 Broad Street, New York 4, N.Y., U.S.A.
sendet. Ich erhalten diese Devisen durch eine hiesige Bank und zwar die Niederländische,
schreibe dann ein paar Zeilen dazu und bitte um Übersendung des betreffenden Pakets, im
vorliegenden Falle würde das also: Material für einen Herrenanzug sein, an Herrn Timm
Grulich, usw.. Timm könnte ihr ja später den Betrag wieder ersetzen, wenn er erst
verdient.
In der Annahme, daß es nicht so lange dauern würde, daß Hilfe notwendig wird, hat man
sich selbst vernachlässigt, aber jetzt muß ich mich wieder selber einkleiden, da kann
ich leider nichts besonderes mehr tun, sondern nur die erforderlichen
Lebensmittelsendungen, aufgefüllt mit etwa geschenkten Sachen nach Möglichkeit aufrecht
erhalten.
Meine eigene Garderobe ist so ausgedünnt worden, daß da auch nichts mehr abzugeben ist.
Ich würde ja gern mehr tun, aber es geht beim besten Willen nicht. Falls ich übrigens
alte Hemden und Untertaillen einem Paket beigefügt habe, so dachte ich, man könnte die
Hemden durch die Untertaillen oben erneuern. Ich trage nur noch die gewirkte Wäsche, die
sich besser für das hiesige Klima eignet.
Aber ich muß schließen, es wird Zeit zum Abendbrot und nachher muß ich noch Bekannte in
der Nähe aufsuchen, um ihnen zu sagen, daß eine gemeinsame Bekannte heute ins
Krankenhaus zu einer Operation eingeliefert worden ist. Sie waren in Ferien verreist und
würden sonst unnötig dieser Tage nach Sea Point fahren.
Hoffentlich treffen meine Zeilen Dich und die Deinen wohl und munter an und es geht bei
Euch doch wieder bergauf. Grüße an Euch und Maren, Olga
9, Queens Road, Tamboers Kloof, 16. Dezember 1948,
Cape Town, South Africa
Lieber Kurt und
liebe Gertrud,
habt herzlichen Dank für Euren gemeinsamen Brief, der mir
besonders willkommen war, weil der mit dem Bilde Eures Vaters anscheinend verloren
gegangen ist. Ich wunderte mich schon, daß ich so gar nichts auf die Pakete hin hörte
und fürchtete, sie seien verloren gegangen. Hat sich das kleine Kostüm für Ruth (Karin)
verwenden lassen.
Ja, daß die Menschen hier niedrige Hacken tragen sollen, wenn sie mir die Schuhe für
meine Pakete schenken, kann ich ihnen nicht wohl gut sagen. War der teils zum
Musterabschneiden auseinandergetrennte Mantel denn überhaupt noch verwendbar für einen
Erwachsenen? Ich glaube nicht. Die Hauptsache für mich bleibt, Ihr scheint alles erhalten
zu haben und verwenden zu können.
Inzwischen hat
sich nun meine Versorgung mehr auf Euren Bruder Richard verschieben
müssen, denn dem geht's ja leider besonders schlecht, während die lieben
Brüder seiner Frau in Amerika keine Verantwortungsgefühl ihrer Schwester
gegenüber zu haben scheinen.
Wüßte ich ihre Adresse, die hätten was von mir zu
hören bekommen, was die Pflicht von uns Deutschen im Ausland ist, wenn wir
nicht gerade selber am Hungertuche nagen. Aber Schwamm drüber, man ändert
solche Leute doch nicht.
- Wie geht es bei Euch dort weiter? Deinen
Jüngsten kannst Du übrigens beruhigen, seine Sachen hat kein Negerknabe,
sondern ein weißer Junge getragen, sie waren also appetitlicher.
Wie heißt der kleine Kerl eigentlich und wie
alt ist er?
Im übrigen haben wir hier keine Neger, sondern
"Kaffern" mit ihren "Pfefferkörner-Köpfen". Dann kommt eine
sehr starke Mischlingsbevölkerung, die "Braunen" oder
"Farbigen" genannt, und die zahlenmäßig nicht sehr bedeutende
weiße Bevölkerung , ca. 2,25 Millionen für das ganze große
Süd-Afrika! Gegenüber, ich glaube 14 Millionen der anderen
beiden Kategorien.
Paßten
ihm die Sachen, außer Hut, eigentlich? -
Was macht Maren und wo steckt sie? Will sie ihre
Zeit im Ausland verwenden, um die Sprache von Grund auf zu
lernen und dann verwerten zu können, oder betrachtet sie die
ganze Sache nur als vorübergehenden Broterwerb mit der Absicht
weiter zu wandern und was von der Welt zu sehen. Im letzteren
Falle soll sie ja nicht den europäischen Staub von ihren Füßen
schütteln, denn hier z.B. kann man nur Leute brauchen, die
irgend einen bestimnten Beruf haben, in dem sie was tüchtiges
leisten. Die Zeiten der deutschen Mädels hier schnell
wohlhabende Männer zu finden, sind längst vorüber. Es sind
eine große Anzahl hier, die sehr nett und tüchtig sind, hier
geboren, aber sie haben das erträumte große Los nicht gezogen.
Als ich jung war, suchte man Mädels zum Heiraten. Ich weiß
noch, daß in Köln eine Bekannte von mir sich damit einen Jux
machen wollte, an dem ich jedoch keinen Anteil haben mochte,
und so blieb es.
Wie hat sich Deine Sache, lieber Kurt, weiter
entwickelt? Hast Du wieder Aussicht, in Deinen alten Beruf
zurückzugehen oder wirst Du weiter im jetzigen bleiben?
Wie
geht es Euch allen gesundheitlich? Ich hoffe recht gut. Haben
Gerth und Alf nun ihre Ausbildung abgeschlossen oder steht die
Endprüfung noch bevor?
Wenn ich auch wenig Zeit zum Schreiben
behalte, so ist meine Teilnahme für die Familie doch die alte
geblieben. - Was machen Deine Eltern, liebe Gertrud?
Wie geht
es bei Deiner Schwester? Sind sie noch auf der Försterei? Aber
der eigentliche Zweck meines heutigen Briefes ist ja, Euch ein
frohes Weihnachten und gesegnetes neues Jahr zu wünschen. Möge
1949 Euch wieder mehr Freude bringen, als die letzten Jahre.
Euch vor allem die Gesundheit erhalten und Euch im allgemeinen
bessere Zeiten bescheert.
Als materiellen Festgruß ließ ich folgendes Päckchen
an Euch abgehen: je ca 2 lbs Zucker, Cervelatwurst, 1 ½ lb Kakao, 1 lb
Dripping (zum Gemüseschmelzen), je ½ lb Thee, Rosinen, Pflaumen, 1 Stück
Seife, 1 lb Sago und für die beiden Kleinsten je eine Tafel Schokolade und
3 Taschentücher. Hoffentlich kommt alles gut und rechtzeitig an und hilft
Euch das Fest ein wenig abwechslungsvoller im Speisezettel zu machen.
Ich erhielt schon allerhand Festgrüße aus der
Heimat, die ich mir zusammen hinlege, um sie am Weihnachtsabend alle noch
wieder durchzulesen. Hoffentlich hat man bei uns hier im Hause nicht den
üblichen Lärmbesuch. Ich bin gern still zu hause und freue mich der
Nachrichten von Daheim, lese auch gern ein Stündchen. Aber etwas ruhig und
würdig feiern, liegt den Menschen hier nicht. Entweder man ist stocksteif
und kirchlich im Feiern, oder geräuschvoll und ausgelassen. Am
Sylvesterabend ist es besonders der reinste Carnevalstrubel. Auch den
Abend werde ich möglichst ruhig zu hause verbringen und all meiner Lieben
in der Heimat gedenken. Sonst will ich einige gute Bekannte besuchen in
den Festtagen.
Bei Euch mit den Kindern allen wird hoffentlich
die echte, fröhliche Weihnachtsstimmung ungestört herrschen können. Nun
wünsche ich Euch allen nochmals alles, alles Gute für die Festzeit und das
kommende Jahr -
Eure Tante Olga
2b, Hillside Road, Tamboers Kloof, den 08.12.1949
Cape Town, South Africa
Meine Lieben,
das ist ein Sammelzettel, um Markensammlern in der
Familie die Gelegenheit für den Besitz der "Monumentmarken" richtig
abgestempelt zu geben. Ich selbst kann mir die Reise natürlich nicht
leisten, aber eine Bekannte versprach die pünktliche Ablieferung am
16.12.1949 beim Monument selbst.
Alles Gute für 1950 und herzliche Grüße Eure Tante
Olga.
Liebe Gertrud, Ihr werdet staunen zu hören, daß
ich nun doch hier abbauen will, es dürfte an der Zeit sein. Wenn alles gut
geht, hoffe ich Mai/Juni nach Höchst im Odenwald zu Tante Else zu gehen.
Halle ist einstweilen nicht ratsam, so gern ich zu
den Tanten dort ginge. Es ist ewig lange, daß wir nichts von einander
hörten. Aber ich war nach dem Dienst zu faul, um viel zu schreiben.
54 Dienstjahre sind wohl auch ganz reichlich, um
nun etwas mehr ruhebedürftig zu sein. Aber wenn ich erst Feierabend habe,
hoffe ich wieder mehr auch von Euch zu hören, ja Euch auch vielleicht noch
mal wieder zu sehen nach den 15 Jahren hier draussen.
Ihr habt wohl auch Eueren Kampf mit dem Leben und
nicht allzu viel Zeit für Korrespondenz, zumal ja wohl Maren und Alf mit
Briefen zu bedenken sind. Wie geht es Euch Allen? Ist Kurt's Angelegenheit
endlich so geklärt, daß er zum alten Beruf zurückkehren konnte? Ich hätte
es ihm sehr gewünscht. Für Weihnachten komme ich zu spät, so wünsche ich
ein schönes Fest gehabt zu haben. Für 1950 und noch recht viele Jahre
alles Gute.
Mit herzlichen Grüßen an Euch Alle Deine
Olga